Warum fehlt Olbernhau?

Gaspreise, Gasumlage, Gasmangel – es stinkt gewaltig

Von Otto Bürger

Erdgas ist – anders als das frühere Stadtgas, das man aus Kohle herstellte – geruchlos und ungiftig. Um Explosionen aufgrund unbemerkten Gasaustritts zu vermeiden, werden dem Erdgas geruchsintensive Substanzen (Odoriermittel) beigemischt. Aber unabhängig davon stinkt es im Moment rund ums Erdgas ganz gewaltig.

Liefermengen, Speicherfüllstände, Gasumlage etc. – alles wird wild durcheinander berichtet, bis keiner mehr recht durchblickt, aber am Ende wird es ordentlich teuer. Russland kürzt angeblich die Gaslieferungen. Ohne offenzulegen, welche Verträge auf der Importstufe verletzt werden, und deutlich zu machen, was man dagegen unternimmt, werden von der Bundesnetzagentur Schaubilder publiziert (siehe Bild oben), welche die Mengenrückgänge an verschiedenen Grenzübergängen dokumentieren. Warum wird aber nicht alles gezeigt? Nur Greifswald, Waidhaus und Mallnow sind als Übergabepunkte dargestellt. Was ist mit dem sächsischen Olbernhau im Erzgebirge? Das ist der Übergabeort für russische Gaslieferungen in die ehemalige DDR, wogegen die Mengen über Waidhaus in den Westen flossen. Wieso fehlt aber Olbernhau in der Übersicht? Bewegt man sich hier, um es frei nach Sarah Kuttner zu sagen, auf dem „oblatendünnen Eis einer halben Zweidrittellüge“? Oder veröffentlicht nach dem Motto: „Was weglassen ist ja nicht gelogen?“

Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist eine dpa-Meldung von Ende Juli, in der es heißt: „Nach Angaben des Pipelinebetreibers Eustream hat Gazprom am Mittwoch deutlich mehr Kapazität für die Transgas-Leitung durch die Slowakei als in den vergangenen Tagen gebucht. Im slowakischen Grenzort Veľké Kapušany, dem Startpunkt des slowakischen Abschnitts, wurde die Durchleitung von 68,6 Millionen Kubikmeter Gas angemeldet. Am Vortag waren es 36,8 Millionen Kubikmeter. Die Buchung deutet darauf hin, dass Gazprom die bei Nord Stream 1 ausfallenden Lieferungen über die Route durch die Slowakei ausgleicht. Transgas ist eine Leitung, die von Russland über die Ukraine in die Slowakei und nach Österreich und Deutschland führt.” Just nämlich zu den beiden Grenzübergabepunkten nach Olbernhau in Sachsen und Waidhaus in Bayern.

Im Jahr 2019 hat der Leipziger Gasimporteur VNG noch mit Gazprom einen neuen Liefervertrag über 3,5 Mrd. Kubikmeter (rund 39 Mrd. Kilowattstunden) pro Jahr und Lieferbeginn ab 1. Janur 2021 abgeschlossen. Diese Mengen und weitere russische Importe der VNG dürften auch über Olbernhau fließen. Aber die Bundesnetzagentur verschweigt die Mengenflüsse über diesen Ort in Ihrer Darstellung. Da stellt sich die Frage, ob über diesen Grenzübergang zwischenzeitlich sogar mehr Erdgas nach Deutschland kommt, weil Mengen eben von Nord Stream 1 umgebucht wurden, wie dpa meldete. Passt das nicht in das Narrativ der Mengenkürzungen durch Russland, oder warum fehlt der Übergabepunkt?

Haben die Gaskunden nicht Anspruch auf umfassende Information? Schließlich müssen sie zahlen, und zwar ganz erheblich. Neben den ohnehin schon extrem hohen Gaspreisen dürfen die Versorgungsunternehmen zukünftig zusätzlich eine Gas-, Speicher- und Regelenergieumlage kassieren. Voraussetzung dafür ist dabei nicht eine drohende Insolvenz, wie wir jetzt noch einmal in der Bundespressekonferenz zu hören bekamen. Die Sprecherin des Wirtschaftsministeriums (BMWK), Susanne Ungrad, erklärte auf Frage von Tilo Jung: „Unternehmen brauchen eine gewisse Gewinnspanne, um weiter agieren zu können.“ Das macht schon sprachlos, wenn man bedenkt, dass der Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands, Helmut Schleweis, gerade gegenüber der „Welt“ erklärte, dass aufgrund der deutlichen Preissteigerungen 60 Prozent der deutschen Haushalte bald ihre verfügbaren Einkünfte für die reine Lebenshaltung einsetzen müssten. Bei den Privathaushalten ist also keine Spanne mehr, die Mehrheit ist am Anschlag oder bereits im Dispo.

Gaspipelines (Grafik von Samuel Bailey () – Eigenes Werk, CC BY 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=8454588)

Anders sieht da die wirtschaftliche Lage der Versorgungsunternehmen aus. „Von den elf Unternehmen, die Ausgleichszahlungen über die Gasumlage beantragt haben, sind nur die wenigsten auf staatliche Hilfe angewiesen“, weiß das Handelsblatt zu berichten. Dafür sind dann bald mehr und mehr Privatpersonen von staatlicher Hilfe abhängig, aus den 60 werden dann vielleicht bald 70 Prozent, bei denen es nur für die reine Lebenshaltung reicht. Der Verschuldungsgrad bei Privathaushalten dürfte im Herbst jedenfalls deutlich steigen.

Von „Staatsgläubigkeit in einer infantilisierten Gesellschaft“ spricht Ulf Poschart, Chefredakteur der „Welt”. Es wird Zeit, dass mehr Menschen aus der Lethargie und Staatsgläubigkeit erwachen und ihre Dinge selbst in die Hand nehmen. Direkte Demokratie ist eine Möglichkeit der Selbstbestimmung und der direkten Einflussnahme. Für mich eine Chance, einer übergriffigen Politik, wie sie sich nach der verhehrenden Corona-Politik auch hier am Beispiel der Energieversorgung zeigt, selbstbewusst entgegenzuwirken und diese in die Schranken zu weisen.


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