von Martina Laabe
In der aktuellen Politik- und Medienlandschaft ist das Hauptaugenmerk auf „rechts“ gerichtet. Alles, was nicht dem woken, links-grünen Zeitgeist entspricht, ist „rechts“ oder gleich „Nazi“. Über „links“ wird gar nicht mehr explizit gesprochen, wer kann heute aus dem Stand sagen, was „links“ eigentlich bedeutet? Außer dass „links“ gleichbedeutend mit gut ist, so wie „rechts“ selbstverständlich schlecht ist.
Die politische Einteilung in „links“ und „rechts“ hat ihre Wurzeln bereits während der Französischen Revolution. In der Nationalversammlung saßen links die „Bewegungsparteien“, deren Ziel es war, politisch-soziale Verhältnisse zu verändern, und rechts die „Ordnungsparteien“, die im Wesentlichen auf die Bewahrung der politisch-sozialen Verhältnisse hinwirkten.1 Im ersten direkt gewählten deutschen Parlament, der Frankfurter Nationalversammlung von 1848, saßen die Demokraten sowie Linksliberale links, die Fraktionslosen in der Mitte und die Rechtsliberalen sowie Konservative rechts. 2
Mit dem Anwachsen der Industrialisierung in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts kristallisierten sich soziale Probleme bisher nicht gekannten Ausmaßes heraus. Die „soziale Frage“ wurde zu einem ganz wesentlichen Eckpunkt deutscher Politik. Die Gründung von Arbeiterselbsthilfevereinen, Gewerkschaften, der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) und der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) waren Versuche auf der politisch linken Seite , das soziale Elend der Arbeiterschaft zu beseitigen und ihr politisches Gewicht zu verschaffen bis hin zur Übernahme der Regierung durch organisierte Arbeiter in Form von Räten, wie es beispielsweise 1918/19 an verschiedenen Orten in Deutschland geschah.
Nach dem Ende der Monarchie zogen als linke Parteien 1919 die Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands (USPD) und die SPD, 1920 auch die KPD (hervorgegangen aus dem Spartakusbund) in das Weimarer Parlament ein.3 Die SPD setzte sich ungeachtet heftiger interner Konflikte in der Revolutionsphase für die Aufrechterhaltung der staatlichen Ordnung und Koalitionen mit den bürgerlichen Parteien ein. Die USPD (seit 1917) war eine Abspaltung von der ursprünglichen Mehrheitssozialdemokratischen Partei Deutschlands (MSPD), sie war pazifistisch und sozialistisch eingestellt. Nach innerparteilichen Auseinandersetzungen löste sich die USPD allmählich auf, ihre Anhänger gingen zu Teilen in die KPD oder die SPD. Die KPD strebte die Errichtung einer bolschewistischen Räte-Diktatur nach sowjetischem Vorbild an und lehnte das parlamentarische System ab. In Folge der Weltwirtschaftskrise konnte sie Zugewinne erreichen.
Die Konflikte auf der linken Seite schwächten ihre Position insgesamt und trugen somit auch zum Aufstieg der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) bei. Diese verstand sich sehr wohl als sozialistische Partei, wie der Name impliziert, als Bewegung, als Revolution. Alles Bürgerliche, Konservative, auch Parlamentarische war den Nationalsozialisten verhasst. Aber aufgrund ihres Nationalismus, Rassismus und Antisemitismus wird die NSDAP dem rechten Spektrum zugeordnet. Bei Auseinandersetzungen auf der Straße lieferten sich Braune und Rote etliche Kämpfe bis aufs Blut. Nach der Machtergreifung 1933 waren Gewerkschafter, Sozialdemokraten und Kommunisten die ersten Opfer der nationalsozialistischen Diktatur, alle Parteien außer der NSDAP wurden verboten.
Gegner des Nationalsozialismus wurden im 3. Reich verfolgt, eingesperrt und vernichtet. Manche resignierten, verhielten sich unauffällig oder gingen in den Widerstand. Nach Ende des Krieges sammelten sie sich wieder und gründeten Parteien nach dem Vorbild der Weimarer Zeit. Deutsche Kommunisten wurden in Ost und West von der UdSSR unterstützt. In der Sowjetischen Besatzungszone wurde die SPD 1946 gezwungen, mit der KPD zur Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) zu verschmelzen, andere Parteien konnten nur noch als Blockparteien auf einer Einheitsliste zu Wahlen antreten. Die Erfahrungen der Menschen mit der Einparteiendiktatur in der DDR ist bis heute gegenwärtig und mit ein Grund für das Anwachsen der AfD in den neuen Bundesländern. Ostdeutsche Bürger misstrauen einer tendenziell übergriffigen Regierung und einseitiger Propaganda in den Medien.
Das westdeutsche Wirtschaftswunder erschwerte der SPD den Zugriff auf ihre traditionelle Klientel, die prekäre Arbeiterschaft, sie hielt zunächst noch an einem moderaten Marxismus, einem demokratischen Sozialismus fest, änderte jedoch ihre Richtung mit dem Godesberger Programmparteitag von 1959 und wurde eine moderne Volkspartei links der Mitte. Nachdem der Begriff „Arbeiter“ aus dem Sprachschatz mehr oder weniger verschwand, musste sich die „alte Tante SPD“ reformieren und eine neue Anhängerschaft suchen. Das sogenannte rote Jahrzehnt (seit 1967) bescherte ihr einen Aufschwung unter den jüngeren Menschen, der seinen Höhepunkt im Ergebnis von 45,8 % der Zweitstimmen bei der Bundestagswahl von 1972 fand.4 Schon zuvor, 1969, war mit Willy Brandt erstmals ein Sozialdemokrat deutscher Bundeskanzler einer sozial-liberalen Koalition geworden. Seither befindet sich die SPD bei Bundestagswahlergebnissen allerdings im mehr oder weniger stetigen Abstieg. Bei der aktuellen Sonntagsfrage liegt sie bei 17 % und damit unterhalb der Alternative für Deutschland (AfD) mit 19 %.5
Die KPD wurde nach Kriegsende in allen Besatzungszonen zugelassen, verlor in Westdeutschland jedoch an Bedeutung. Der Kalte Krieg tat hier seine Wirkung. 1956 wurde sie wegen Verfassungsfeindlichkeit verboten, 1968 konnte sich jedoch als Nachfolgepartei die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) gründen. Sie versteht sich als Partei der Arbeiterklasse und des wissenschaftlichen Sozialismus.6 Der Kapitalismus müsse überwunden werden. Sie bezeichnet sich als eine Partei des „Friedenskampfes“, sie bekämpfe die Kriegstreiberei, die heutzutage vor allem vom US-Imperialismus, der NATO und den führenden imperialistischen Ländern in der EU und Europa ausgehe. Internationalistisch, antiimperialistisch und antifaschistisch sind weitere Attribute. Die Zahl ihrer Mitglieder liegt bei ca. 3000. Das Bundesamt für Verfassungsschutz stuft die DKP als linksextremistisch ein. Ihre Wahlergebnisse, wenn sie denn überhaupt zu Wahlen antritt, sind unter ferner liefen.
Während kommunistische Tendenzen nach dem Untergang der UdSSR weniger wurden bis zur Bedeutungslosigkeit, rettete sich der sozialistische Gedanke. Die Anhänger der SED transformierten nach der Wende ihre Partei (und ihr Vermögen – wohin?) zunächst in die Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS), diese blieb jedoch eine regionale Erscheinung.7 Sie gerierte sich als quasi-kommunistische Partei und damit als systemoppositionelle, kapitalismuskritische Alternative zu den bestehenden Parteien. Gemeinsam mit der Partei Arbeit & soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative (WASG), gegründet 2005, verschmolz sie 2007 zur Partei Die Linke, die sich auch in Westdeutschland ausbreitete. In der aktuellen Sonntagsfrage liegt sich jedoch unter 5 %.
Die extremere Linke – wie DKP und Die Linke – ist auch deshalb zunehmend in der politischen Bedeutungslosigkeit versunken, abgesehen von berühmten Gallionsfiguren wie Oskar Lafontane, Sahra Wagenknecht und Bodo Ramelow, weil SPD und Bündnis 90/Die Grünen (seit 1980) mittlerweile ein breites, bürgernahes linkes Spektrum abdecken. Der Weg durch die Instanzen hat sich also gelohnt.
Die Grünen, gegründet 1980, sind ein Produkt der sogenannten Neuen Sozialen Bewegungen, die sich in den 1970er-Jahren aus Protest gegen die wachsende Umweltzerstörung, die Nutzung der Kernenergie und die atomare Hochrüstung gebildet hatten. 8 Weitere Wurzeln liegen in der Studentenbewegung und der DDR-Bürgerrechtsbewegung. 1993 vereinten sich die Grünen mit dem ostdeutschen Bündnis 90 und nennen sich seitdem: „Bündnis 90/Die Grünen“. Ihr urprüngliches Ziel Umweltschutz haben sie dem Kampf gegen den menschengemachten Klimawandel untergeordnet und ihre pazifistische Ausrichtung hat sich seit dem Ukrainekrieg um 360 Grad, ach nein, 180 Grad gedreht. Dabei gehen sie im Gleichschritt mit allen anderen Parteien außer der Linken und der AfD, die diesbezüglich momentan die einzige Opposition bilden.
Seit dem Sommer 2020 gibt es eine neue Partei in Deutschland. Die basisdemokratische Partei dieBasis will eine andere Politik für Deutschland, in der die Kategorisierung rechts – links keine Rolle mehr spielt. Diese Einteilung ist für eine lebenswerte, freiheitliche und basisdemokratische Zukunft nicht mehr passend.
So heißt es in der Parteisatzung: „Totalitäre, diktatorische und oder gewalttätige Bestrebungen jeder Art lehnt die Partei Basisdemokratische Partei Deutschland entschieden ab.“ Es ist also absurd zu versuchen, dieBasis in irgendwelchen extremen Richtungen zu verorten. Klassische linke Elemente wie beispielsweise Bürgerräte, Volksentscheide und Kapitalismuskritik sind durchaus vorhanden.
dieBasis ist offen für Menschen, die sich mit dieser Satzung identifizieren können und alte politische Überzeugungen hinter sich lassen möchten. Eine Diffamierung dieser Partei, ihrer Mitglieder und Wähler mittels billiger Polemik oder ein beharrliches Ignorieren wird auf Dauer nicht verhindern können, dass immer mehr Bürger sich mit den Säulen der Partei – Machtbegrenzung, Freiheit, Achtsamkeit und Schwarmintelligenz – beschäftigen und die Idee der Basisdemokratie, der zunehmend direkten Demokratie, schätzen werden.
1 https://www.abendblatt.de/ratgeber/wissen/article130117531/Woher-kommt-die-Einteilung-der-politischen-Parteien-in-links-und-rechts.html
2 https://www.bundestag.de/parlament/geschichte/parlamentarismus/1848
3 Hier und im Folgenden: https://www.bundestag.de/resource/blob/190452/136d18f9322d451e7ab98e916bdf7d32/parteien_weimarer_republik-data.pdf
4 https://de.statista.com/statistik/daten/studie/764187/umfrage/ergebnisse-der-aller-bisherigen-bundestagswahlen-in-deutschland/
5 https://www.infratest-dimap.de/umfragen-analysen/bundesweit/sonntagsfrage/ Stand 23.06.2023
6 Hier und im Folgenden: https://dkp.de/
7 Hier und im Folgenden: https://www.bpb.de/themen/parteien/parteien-in-deutschland/die-linke/42128/kurz-und-buendig-die-linke/
8 Hier und im Folgenden: https://www.bpb.de/themen/parteien/parteien-in-deutschland/gruene/42149/kurz-und-buendig-die-gruenen/